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Alle Projektbereiche auf einen Blick

Projektbereich A:
Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten im individuellen Lebenslauf

Die sechs Teilprojekte im Projektbereich A des Sonderforschungsbereichs widmen sich der Genese und Wirkung ungleichheitsrelevanter Heterogenitätsmerkmale im individuellen Lebenslauf unter verschiedenen kontextuellen Bedingungen. Es werden vier Klassen von Heterogenitätsmerkmalen (askriptive Merkmale, kulturelle Differenzierungen, Kompetenzen sowie Tätigkeiten) thematisiert und in ihrem Zusammenwirken untersucht. Diese Merkmale sind erstens wesentlich als Determinanten individueller Lebensentscheidungen, indem sie personengebundene Ressourcen darstellen und die Präferenzbildung beeinflussen. Zweitens handelt es sich um Merkmale, die von kollektiven Akteuren wahrgenommen und bewertet werden, damit jenseits formaler Qualifikationen zu Kriterien der Fremd-Selektion und Ungleichheitsbehandlung in Netzwerken und Organisationen werden. Und drittens spielen sie eine Rolle bei der Präferenzbildung und Bewertung von wahrgenommenen Ungleichheiten, vor allem in Form von Gerechtigkeitseinstellungen.

Dass die Entwicklung und Wirkung dieser Individualmerkmale theoretisch und methodisch als kontextuelle Erweiterung einer rein individuenbezogenen Lebenslaufforschung untersucht wird, gilt als eine wichtige methodologische Zukunftsaufgabe einer erklärungsorientierten Sozialwissenschaft. Unabhängig gemessene kontextuelle Entwicklungsbedingungen reichen hier von der Herkunftsfamilie über soziale Netzwerke, Kindertageseinrichtungen, Schulen und Wohnumwelten bis zur Varianz nationalstaatlicher Institutionen im Rahmen internationaler Vergleiche. Mit Hilfe einer Integration von Lebenslauf und individueller Entwicklung wird es möglich werden, zwischen psychischen Mechanismen und den Pfadabhängigkeiten institutionalisierter Lebensläufe im Hinblick auf die Genese sozialer Ungleichheiten zu unterscheiden und im Wechselspiel zu untersuchen. Es wird zudem angestrebt, unter Zuhilfenahme eigener längsschnittlich ausgerichteter Datenerhebungen sowie mit Hilfe von Sekundäranalysen des SOEP und anderer Datenquellen eine solche Lebenslauf und individuelle Entwicklung integrierende Forschung international vergleichend auszurichten.

Projektbereich B:
Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten im Kontext von Organisationen

Die fünf Teilprojekte im Projektbereich B des SFB 882 beschäftigen sich mit Bildungs- und Arbeitsorganisationen als Akteure und Kontexte der Ungleichheitsproduktion. Die gemeinsame Grundidee besteht darin, dass Organisationen wesentlich an der Produktion sozialer Ungleichheiten beteiligt sind, weil sie individuelle Heterogenitäten sehr unterschiedlich und selektiv wahrnehmen, interpretieren und zum Kriterium von Mitgliedschaft sowie der Zuteilung von Ressourcen machen. Drei Problemstellungen sind dabei besonders sichtbar:

(1) Weil Organisationen über formale Positionsstrukturen und Regelsysteme Interaktionen kanalisieren, tragen sie zu Grenzziehungen bei und nehmen Differenzierungen über die Zu- und Verteilung von Belohnungen und Belastungen vor. Damit transformieren sie nicht nur individuelle Heterogenitäten in bewertete Unterschiede, sie eröffnen auch entlang organisationsintern bewerteter Unterscheidungsmerkmale selektive Verwirklichungschancen. Indem diese Prozesse und Mechanismen identifiziert werden, lassen sich genauere Aussagen darüber machen, wie genau Organisationen bei der Generierung von Ungleichheiten wichtig werden.

(2) In dem Maße wie Organisationen selbst einer horizontalen Differenzierung ausgesetzt sind und ihren Mitgliedern unterschiedliche Vorteile gewähren, wird es für die Zugangs- und Verwirklichungschancen einer Person wichtiger, in welcher Organisation sie zu welchem Zeitpunkt ihres Lebensverlaufs eingebunden ist und in welcher Entwicklungsphase sich diese Organisation befindet. Ungleichheiten sind dann – z.B. im Sinne der Kumulation von Vor- oder Nachteilen – auch ein Ergebnis der Abfolge individueller Mitgliedschaften in den gleichen oder unterschiedlichen Organisationen, die in der Ungleichheitsforschung auch entsprechend berücksichtigt werden müssen.

(3) Sowohl Bildungs- als auch Arbeitsorganisationen sind institutionalisierte Handlungskontexte, in denen Zuschreibungen vermittelt und perpetuiert werden. Am Beispiel von ethnisch-codierten Zuschreibungen, Geschlechterstereotypen und normativen Einstellungen zur Verteilungsgerechtigkeit wird genauer gefragt, wie eine derartige Reproduktion von Zuschreibungs- und Deutungsmustern in Organisationen abläuft und welche Mechanismen dabei wirksam werden.

Projektbereich C:
Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten jenseits des Nationalstaats

Die vier Teilprojekte im Projektbereich C des SFB 882 nehmen Heterogenitätsmerkmale, deren Kombinationen und die daraus resultierenden Ungleichheiten jenseits des Nationalstaates in den Blick. Die Projekte gehen über die in der bisherigen Forschung vorrangig auf Einkommensunterschiede im internationalen bzw. globalen Kontext abzielende Sichtweise hinaus und thematisieren Teilhabe und Teilnahme in verschiedenen Feldern: Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit, Politik, Entwicklungskooperation, soziale Sicherung und Sozialintegration von Migranten. Dabei spielt die Analyse der Interaktion und Intersektion von Transnationalität als Heterogenitätsmerkmal mit anderen Merkmalen von Vielfalt wie Gender, Religion, Rechtsstatus, Staatsangehörigkeit und Ethnizität eine wichtige Rolle. Transnationalität bezieht sich auf Transaktionen in Netzwerken, Gruppen und Organisationen, die in kontinuierlichen und dichten grenzübergreifenden Prozessen münden. Sie verweist auf Prozesse, die sich potentiell auf verschiedenen Ebenen (scales) vollziehen können. Eine prozessorientierte, mechanismische Analyse von Ungleichheiten jenseits des Nationalstaats ist sowohl auf Migranten als auch Nicht-Migranten anwendbar. Eine zentrale Frage ist die nach Vergleichsmaßstäben. Wie verschiebt sich die Wahrnehmung und Bewertung aber auch die Bearbeitung sozialer Ungleichheiten dadurch, dass soziale Vergleichsgruppen sich nicht mehr unbedingt auf den geschlossenen Raum (national-)staatlicher Zugehörigkeiten beschränken? Diese und sich daran anschließende Fragen werden auf der Grundlage laufender Forschung dargestellt, die sich mit einer Reihe von typischen Fällen beschäftigen: informelle soziale Sicherung von mobilen und immobilen Personen, grenzübergreifende Lebenswelten, die soziale Konstruktion von Heterogenitätskriterien in Recht und Politik und schließlich globale Ungleichheitssemantiken in internationalen Organisationen.